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Der Presse-Standort Hamburg ist führend in Deutschland. In der Elbmetropole werden zahlreiche der wichtigsten und auflagenstärksten Zeitungen und Zeitschriften Deutschlands herausgegeben. Über die deutschen Grenzen hinaus sind Printmedien wie „Der Spiegel“ und „Die Zeit“ ein Begriff. „Stern“ und „Brigitte“ gehören zu den Flaggschiffen des Gruner + Jahr-Verlags, Bauer bedient das Publikum unter anderem mit „Bravo“, Burda mit „Cinema“ und der Axel-Springer-Verlag ist auch nach der Verlegung des Unternehmenshauptsitzes nach Berlin weiterhin in Hamburg präsent. Neben dem überregional ausgerichteten Presseangebot, das teilweise durch Hamburg-Teile ergänzt wird, gehören auch einige reine Lokalzeitungen zur Hamburger Medienlandschaft. Abgesehen von der „Hamburger Morgenpost“ haben es diese Hamburg-Zeitungen aber zunehmend schwer, sich gegen die Übermacht der Presse-Giganten zu behaupten. 2013 musste mit den „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ (HAN), umgangssprachlich häufig auch einfach „Harburger Zeitung“ genannt, nach fast 170 Jahren die bis dahin älteste Hamburger Zeitung ihr Erscheinen einstellen.
Anfänge im Königreich Hannover
Als der Harburger Druckereibesitzer Johann Christian Hergeröder sich Ende der 1830er Jahre um die Lizenz bemühte, eine Wochenzeitung herausbringen zu dürfen, gehörte das damals knapp 5.000 Einwohner zählende, südlich der unabhängigen Stadtrepublik Hamburg gelegene Landstädtchen Harburg zum Königreich Hannover. Zeitungen wurden von dem reaktionären Landesherrscher Ernst August I. mit Argwohn betrachtet. Zeitungen waren für ihn und seine Beamten potenzielle Multiplikatoren die Berechtigung der Autokraten-Systeme im Deutschen Bund in Frage stellender Ideen. Hergeröder warb für seine Zeitungsidee mit dem Hinweis auf die wirtschaftsfördernde Wirkung, die mit einem regelmäßig erscheinenden, Wirtschaftsanzeigen und –Nachrichten aus der Region veröffentlichenden Blatt verbunden sei. Mit der Auflage, sich auf den bloßen Wirtschaftsbereich zu beschränken und nichts Unterhaltendes, Politisches oder Amtliches zu veröffentlichen, erhielt Hergeröder Anfang 1844 die ersehnte Zeitungs-Lizenz. Er übertrug sie seinem Sohn Carl, der am 5. Oktober 1844 die erste Ausgabe der damals vierseitigen „Harburger Anzeigen“ herausbrachte. Die Auflagen waren zunächst lediglich wenige hundert Exemplare klein, reichten aber aus, das Blättchen ab 1848 schwarze Zahlen schreiben zu lassen. Im Zuge der Deutschen Revolution 1848/49 wurde die bis dahin äußerst rigide Pressezensur liberalisiert. Diese Stärkung der Pressefreiheit zeigte auch in der der Revolution folgenden Reaktionszeit Wirkung (u. a. Bundespressegesetz von 1854). Selbst im konservativen Welfen-Königreich Hannover waren Ernst Georg I. und sein Nachfolger Georg V. bereit, in engen Grenzen die Pressezensur zu lockern. 1856 konnte der gemäßigt nationalliberale und damit zur bürgerlichen Opposition gegen das Königshaus gehörende Carl Hergeröder in seiner Zeitung (ab 1860: „Harburger Anzeigen und Nachrichten“) den ersten Artikel mit politischem Inhalt abdrucken.
HAN von 1866 bis 1945
Nach der Niederlage im Deutschen Krieg 1866 fiel Hannover und damit auch Harburg an Preußen. 1872, ein Jahr nach der Gründung des Deutschen Reiches, übergab Hergeröder die HAN an seinen Schwiegersohn Georg Lühmann. Die bald oft „Die Lühmannsche“ genannten HAN verloren ihren oppositionellen Charakter, wurden amtliches Kreisblatt und und galten als staatstragende Zeitung. Die Zeitung nahm wie die stürmisch wachsende Industriestadt (1914: ca. 70.000 Einwohner) an Volumen zu, erschien ab 1875 wochentäglich und konnte ihre Auflage bis 1914 auf 14.000 Exemplare steigern. In der Weimarer Republik bezogen die HAN verstärkt rechtskonservative Positionen. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 durften die sich mit den neuen Machtverhältnissen arrangierenden HAN zunächst weiter erscheinen. Die HAN konnten sich lange, auch nach der Eingliederung Harburgs nach Hamburg (Großhamburg-Gesetz 1937), gegen die NS-Partei-Zeitungskonkurrenz als auflagenstärkste Harburger Tageszeitung am Markt behaupten, mussten dann aber 1943 ihr Erscheinen auf behördliche Anordnung hin einstellen.
Wiederbeginn und Niedergang
Bereits unmittelbar nach der deutschen Kapitulation 1945 erhielten die HAN von den britischen Besatzungsbehörden die Genehmigung als Anzeigenblatt. 1949 folgte die Wiederzulassung als Abo-Zeitung. Die „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ konnten an ihre alte Marktstellung anknüpfen. Das schließlich zumeist 24 Seiten („Berliner Format“) starke Tagesblatt deckte bei der lokalen Berichterstattung nicht nur die südelbischen Stadtteile Hamburgs ab, sondern auch die benachbarten ländlichen Gebiete Niedersachsens des Raums Winsen und Buxtehude. Daneben wurde über überregionale Ereignisse, Sport, Kultur und internationale Politik berichtet. Ab 2006 ergänzten die HAN ihr Standard-Angebot durch das halbmonatlich erscheinende Magazin „HAN Extra“.
Überregionale Aufmerksamkeit verdiente sich das Traditionsblatt in der jungen Bundesrepublik nicht zuletzt durch den Abdruck exklusiver Interviews sowie Kolumnen des SPD-Granden Herbert Wehner, der den Wahlkreis Harburg im Bundestag vertrat.
Wirtschaftliche Zwänge führten 1989 zum Verkauf der bis dahin stets im Familienbesitz geführten Zeitung an eine Gesellschaftergruppe, an der unter anderem auch die Axel Springer AG beteiligt war. Ende der 1990er Jahre begann ein massiver Einbruch der Auflage. Betrug die Tagesauflage 1998 noch 25.000 Stück halbierte sie sich bis 2012 auf 12.500 verkaufter Exemplare.
Mit Wirkung zum 30. September 2013 stellte die zuletzt von der Harburger Rathausstraße 40 aus arbeitende, etwa 30 Journalisten, Auszubildende und sonstige Mitarbeiter umfassende Redaktion der HAN den Betrieb ihrer nicht mehr konkurrenzfähigen Zeitung ein.
Das kultur-, lokal- und ereignishistorisch überaus wertvolle Archiv der HAN wurde dem unweit gelegenen, unter anderem als Harburger Regionalgeschichtsmusem fungierenden Helms-Museum angegliedert.